Die gesellschaftliche Verantwortung von Unternehmen (Corporate Social Responsibility, CSR) ist derzeit im Begriff, die Beschaffungskriterien im Foodservice-Bereich neu zu definieren und wird sogar zu einem tragenden Element von Ausschreibungen. In der Gemeinschaftsverpflegung wie auch im Gaststättengewerbe erwarten Gastronomen nunmehr konkrete Garantien hinsichtlich Herkunft, Erzeugungsmethode und Umweltauswirkungen der Produkte, um einem umweltverträglichen Verbrauch gerecht zu werden. In Frankreich geben 39 % der französischen Verbraucher an, dass sie Restaurants suchen, die lokale Produkte anbieten. Was Großbritannien betrifft, so ist die Vorliebe für lokale und handwerklich hergestellte Produkte wirklich in der britischen Gesellschaft verankert. Quellen zeigen, dass 57 % der britischen Verbraucher Produkte oder Marken lokalen Ursprungs bevorzugen, was sich auch stark auf die Gastronomiebranche auswirkt.
So schreitet der Übergang zu Eiern, die nicht aus Käfighaltung stammen, in großen und mittelgroßen Supermärkten voran, wogegen er in der Außer-Haus-Verpflegung nur langsam vorwärtskommt. Diesbezüglich geben die wichtigsten Großhändler der Gemeinschaftsverpflegung für 2025 an, dass von ihren Eierkäufen zwischen 40 % und 44 % nicht aus Käfighaltung stammen, während es 2024 noch 29,5 % bis 37 % waren. In diesem Zusammenhang müssen die Händler begreifen, dass CSR-Gütesiegel nicht einfach ein Pluspunkt sind, sondern ein strategischer Faktor, um sichtbar, wettbewerbsfähig und attraktiv zu bleiben, besonders in anspruchsvollen Märkten wie Großbritannien und Spanien.
CSR, ein nunmehr wesentliches Beschaffungskriterium
CSR hat direkten Einfluss auf Verträge, insbesondere in der Gemeinschaftsverpflegung, wo bei öffentlichen Ausschreibungen ökologische und soziale Kriterien in die Bewertung einfließen. In Großbritannien sind das Siegel „British Lion“ und die Angabe „Free-range“ (Freilandhaltung) für zahlreiche Aufträge nunmehr Voraussetzung.
Gut zu wissen
Das 1998 eingerichtete Siegel „British Lion“ ist heute die Referenznorm für Eier in Großbritannien. Mehr als 90 % der in diesem Land erzeugten und verzehrten Eier tragen dieses einprägsame rote Logo in Form eines Löwen. Dieses Siegel bescheinigt:
Für britische Händler ist das Logo „British Lion“ auf den Artikeln ihrer Sortimente sowohl in kaufmännischer Hinsicht wie auch im Hinblick auf Marketing zu einem echten Muss geworden. Es weckt das Vertrauen der Verbraucher, betont das Engagement der Akteure hinsichtlich CSR und trägt dazu bei, sich von den Wettbewerbern abzusetzen, angesichts einer Kundschaft, die mehr und mehr auf Produktherkunft und Lebensmittelsicherheit achtet. |
Wenn ein Produkt nicht über diese Gütesiegel verfügt, kann das ausreichen, um sich nicht dafür zu entscheiden, selbst wenn es preislich wettbewerbsfähig ist.
In Spanien zeugt die wachsende Bedeutung der Siegel „Bio“ und „Campero“ (das bedeutet Freilandhaltung) von steigenden Erwartungen im Hinblick auf das Tierwohl und die lokale Beschaffung, besonders in Krankenhäusern und Schulen. 71 % der europäischen Verbraucher geben an, dass sie Eier bevorzugen, die aus Systemen ohne Käfighaltung oder aus alternativen Haltungsformen stammen, wobei sie das Tierwohl als Argument für die Wahl ihrer Lebensmittel anführen.
Für Händler bedeutet das:
- Produkte ohne entsprechende Zertifizierung laufen Gefahr, nach und nach aus den gelisteten Sortimenten zu verschwinden.
- Die CSR-Kriterien können zu einem wichtigeren Unterscheidungsmerkmal als der Preis werden, insbesondere im Premiumsegment und in der institutionellen Sparte.
Gütesiegel: Vertrauensgarant und Alleinstellungsmerkmal
Gütesiegel garantieren dem Gastronomen, dass das Produkt ein genaues Lastenheft einhält, sei es in Bezug auf Herkunft, Tierwohl, Umweltauswirkungen oder Gesundheitssicherheit. In Großbritannien ist die Zertifizierung „British Lion“ ein typisches Beispiel: sie bescheinigt, dass die Eier aus britischen Legehennenbetrieben stammen, die strenge Normen hinsichtlich Fütterung der Hühner, Rückverfolgbarkeit und Lebensmittelsicherheit (insbesondere wegen Salmonellen) beachten. Ein Produkt mit Gütesiegel verringert die Gefahr von Beanstandungen im Falle einer Kontrolle oder eines Qualitätsaudits beim Endabnehmer. In der Gemeinschaftsverpflegung kann man damit einen mehrjährigen Vertrag sichern und mehrere Punkte bei der Gesamtbewertung einer Ausschreibung erlangen.
Für Händler bedeutet das:
- Für jedes Kundensegment die Gütesiegel ermitteln, die bei Ausschreibungen die meisten Punkte bringen. Ein Portfolio mit „Referenz-Gütesiegeln“ anlegen: Statt eine Vielzahl an Gütesiegeln anzubieten, setzen Sie auf ein starkes Portfolio. Heben Sie die Gütesiegel hervor als das Premium-Angebot, das besonders vertrauenswürdig ist.
- Diese Produkte in gebrauchsfertige Packs oder Sortimente integrieren, um es den Kunden zu erleichtern, die CSR-Anforderungen zu erfüllen.
- Den Gastronomen unter den Kunden zur Unterstützung gebrauchsfertige Marketingmaterialien bereitstellen (Merkblätter, POS-Displays, Bildelemente), welche das Gütesiegel einbeziehen und dessen Bedeutung erläutern. Das ist eine alleinstellende Dienstleistung, welche den Verkauf fördert und die Kunden bindet. Das „Storytelling“ zum Produkt liefern: Gastronomen oder Bäcker benötigen konkrete Argumente für ihre Kunden. Beschränken Sie sich nicht nur auf Ihre Rolle als Lieferant, bieten Sie ihnen Materialien (Broschüren, Produktdatenblätter, Erfahrungsberichte von Erzeugern), damit sie die Geschichte zum Weizen, zu den Eiern, zum Landwirt und zum Gütesiegel erzählen können.
Kurz gefasst, ein Großhändler kann sich dadurch auszeichnen, dass er nicht etwa ein Gütesiegel verkauft, sondern ein strategisches Angebot, welches Bekanntheit, ethisches unternehmerisches Engagement und Versorgungssicherheit verbindet, während er zugleich die nötigen Kommunikationsinstrumente bereitstellt, damit der Küchenchef, der Bäcker usw. selbst zum besten Botschafter seiner eigenen Marke wird.
So können Händler die Gütesiegel in ihre Strategie einbeziehen
Die Umsetzung eines CSR-Ansatzes ist ein strategischer Prozess, der die Durchführung von Audits, die Entwicklung einer Beschaffungsstrategie, Aus- und Weiterbildung sowie Valorisierung erfordert, wobei man zugleich die rechtlichen Entwicklungen und die spezifischen Erwartungen jedes Marktes im Auge behalten muss. Der erste Schritt besteht darin herauszufinden, wie es gegenwärtig genau mit den Zertifizierungen des Angebots aussieht. Dazu gilt es, alle Artikel nach Produktfamilien und Marktsegment aufzulisten und für jedes davon zu ermitteln, ob es über ein lokal anerkanntes Gütesiegel verfügt oder nicht. Zum Beispiel:
- Produkte, die bereits ein Gütesiegel tragen, das für den Markt aussagekräftig ist.
- Produkte, die kurz- bzw. mittelfristig zertifiziert werden können (Anpassung der Beschaffung, Wechsel des Lieferanten).
- Produkte, die nicht zertifizierbar sind, aber aus strategischen Gründen beibehalten werden (Nischenprodukte, exklusive Produkte).
Ein Händler allein kann nur schwer Änderungen an der Beschaffenheit der Produkte vornehmen. Hier kommen die Industriepartnerschaften ins Spiel. Die Zusammenarbeit mit Lieferanten, die in der Lage sind, gemäß den erwarteten Standards zu produzieren („cage-free“, Bio, Freilandhaltung, Kennzeichnungen zur Rückverfolgbarkeit), kann für einen Händler völlig neue Impulse bedeuten. Durch die vertragliche Festlegung von Mindestmengen bei Artikeln mit Gütesiegeln kann man die Versorgung sichern und bessere Konditionen aushandeln.
Die zunehmende Bedeutung von CSR-Gütesiegeln bewirkt grundlegende Veränderungen hinsichtlich der Art und Weise, wie die Händler ihr Angebot aufbauen und zur Geltung bringen. Um wettbewerbsfähig zu bleiben, müssen Händler die Gütesiegel in ihre Gesamtstrategie einbeziehen. Dafür ist Folgendes erforderlich:
- Eine Bestandsaufnahme durchführen
Eine vollständige Inventur der bestehenden Produkte und Produktpaletten vornehmen.
Die bereits vorhandenen CSR-Zertifizierungen ermitteln (Gütesiegel, Normen, Eigenerklärungen). - Das Produktportfolio prüfen
Die Übereinstimmung jedes Produkts mit den bestehenden CSR-Leitlinien beurteilen.
Abweichungen oder Verbesserungspotenziale ermitteln (nicht zertifizierte Produkte, für die eine Zertifizierung aber möglich ist). - Die Beschaffung absichern
Für die derzeitigen Lieferanten die Rückverfolgbarkeit und die Übereinstimmung mit CRS-Regeln überprüfen.
CSR-Kriterien in Ausschreibungen und Lieferverträge integrieren.
Die Bezugsquellen diversifizieren, um die Risiken im Zusammenhang mit einer Zertifizierung oder einem Land zu begrenzen. - Die Teams entsprechend schulen
Die Einkäufer, Produktmanager, Handelsvertreter und Marketingteams für die CSR-Leitlinien sensibilisieren.
Pädagogische Hilfsmittel einführen (Merkblätter zu Gütesiegeln, Online-Schulungen, Workshops). - Die Zertifizierungen bei den Kunden zur Geltung bringen
Die Marketingmaterialien und Geschäftsunterlagen anpassen (Kataloge, Produktdatenblätter, POS-Displays).
Die Verkaufsteams dafür schulen, den Mehrwert der Gütesiegel zu erläutern.
Digitale Möglichkeiten nutzen (Website, soziale Netzwerke), um die CSR-Verpflichtungen hervorzuheben. - Eine kontinuierliche Marktüberwachung gewährleisten
Die Entwicklung der Regelwerke und Gütesiegel im Hinblick auf CSR nachverfolgen, pro Land und Branche.
Die rechtlichen Entwicklungen und neue Erwartungen der Verbraucher vorausschauend einschätzen.
Die internen Verfahren und die Lastenhefte der Lieferanten aktualisieren. - Messen und anpassen
Leistungsindikatoren für CSR im Hinblick auf das Produktangebot festlegen.
Regelmäßig die geschäftliche Auswirkung und das Markenimage bewerten.
Die Strategie entsprechend den Ergebnissen und dem Kundenfeedback anpassen.
Denn die lokalen Dynamiken sind stark und schnell: In Großbritannien wird die zunehmende Nachfrage nach „Cage-free“-Eiern in einigen Jahren zum Standard werden, wodurch Händler gezwungen sind, diese Umstellung in ihren Produktpaletten vorwegzunehmen. In Spanien eröffnet der Erfolg von Bio-Produkten im gehobenen Segment bereits neue Perspektiven, was allerdings dazu zwingt, Beschaffung und Argumentation anzupassen, um einer anspruchsvolleren Kundschaft gerecht zu werden.
Diejenigen Händler, die diese Entwicklungen vorausschauend einschätzen, werden zu maßgeblichen Partnern, die in der Lage sind, ihre Kunden im Hinblick auf deren eigene CSR-Verpflichtungen zu unterstützen und gesetzliche Anforderungen in Möglichkeiten für nachhaltiges Wachstum umzuwandeln.